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Tiersprache: Die Tiersprache bezieht sich auf Kommunikationssysteme, die von nicht-menschlichen Arten verwendet werden und verschiedene Laute, Gesten und Signale umfassen. Sie ist bei den verschiedenen Arten unterschiedlich komplex und hat wichtige Funktionen für ihr Überleben und ihre sozialen Interaktionen.

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Anmerkung: Die obigen Begriffscharakterisierungen verstehen sich weder als Definitionen noch als erschöpfende Problemdarstellungen. Sie sollen lediglich den Zugang zu den unten angefügten Quellen erleichtern. - Lexikon der Argumente.

 
Autor Begriff Zusammenfassung/Zitate Quellen

Terrence W. Deacon über Tiersprache – Lexikon der Argumente

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Tiersprache/Deacon: Die Kommunikation anderer Spezies ist niemals eine „einfachere Form“ der menschlichen Sprache. Sie ist überhaupt keine Sprache.
>Kommunikation
.
Biologische Erklärung/Deacon: Eine Biologische Erklärung ist immer evolutionär und versucht damit, eine Kontinuität zu zeigen. Bei der Entstehung der menschlichen Sprache gibt es aber keine tierischen Vorläufer, geschweige denn eine aufsteigende Komplexitätsskala. (Siehe Robin Dunbar. Grooming, Gossip and the Evolution of Language, 1997(1); sowie Dunbar 1992 a(2), b(3)).
I 54
Tiersprache/Tiere/Deacon: Die falsche Vorstellung, tierische Rufe und Gesten seien wie Wörter oder Sätze kann auf Missverständnisse in Bezug auf den Begriff der Referenz zurückgeführt werden.
>Referenz, >Gesten.
Behaviorismus: Einige Behavioristen haben vorgeschlagen, Tierrufe seien nur externe Äußerungen interner Zustände und hätten daher nichts mit Referenz zu tun.
>Behaviorismus.
Kognitive Verhaltensforscher sahen Rufe als Äquivalente zu Wörtern. Eine Studie spielte eine zentrale Rolle dabei:
Seyfarth/Cheney: These: Warnrufe von Meerkatzen seien wie Namen für Fressfeinde in der Entfernung. (Siehe Seyfarth, Cheney und Marler 1980(4)).
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Als Reaktion auf verschiedene Rufe verließen die Affen die Bäume (Warnung vor Adlern) oder sprangen auf Bäume (Leoparden) oder sie spähten in Büsche (Schlangen).
Deacon: Das ist evolutionär leicht zu erklären. Da das rettende Verhalten nicht in allen Fällen gleich aussehen kann und sich sogar gegenseitig ausschließt, müssen verschiedene Rufe unterschieden werden. (Siehe auch Hauser, 1996(5)).
Tierrufe/Cheney/Seyfarth/Deacon: Zunächst nahmen Cheney und Seyfarth an, die Tierrufe wären Namen für die Fressfeinde. Diese wurden anstelle eines vollständigen Satzes, also als „holophrastische“ Äußerungen angenommen.
Holophrastische Äußerungen/Deacon: Es wird darüber gestritten wieviel syntaktisches Potential in ihnen steckt.
((s) Siehe Wittgenstein Sprachspiel „Platte“), vgl. >Subsententiales.
Tierkommunikation: Es wurde die These aufgestellt, Warnrufe unterschieden sich ihrerseits von Schmerzschreien oder Grimassen, indem sie auf etwas anderes referierten
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als den inneren Zustand des Tiers.
Referenz/DeaconVsCheney/DeaconVsSeyfarth: Dabei wurde stillschweigend vorausgesetzt, dass z.B. Schmerzschreie nicht referierend sein könnten. Aus solchen Annahmen erwächst die Vorstellung einer „Proto-Sprache“ mit Rufen als „Vokabular“.
>Vokabular, >Wörter, >Zeichen, >Signale.
Dann könnte man sich eine tierische Sprachevolution mit sich später herausbildender Grammatik und Syntax vorstellen. Dieses ganze Kartenhaus fällt aber in sich zusammen. (Siehe auch Cheney und Seyfarth, 1990(6)).
Referenz/Deacon: Referenz ist nicht auf Sprache beschränkt. Symptome können auf etwas anderes als sich selbst referieren.
Bsp Lachen: Lachen ist beim Menschen angeboren. Es muss nicht absichtlich hervorgebracht werden und es kann in sozialen Kontexten simuliert werden. Aber Lachen kann auch auf Dinge referieren, sogar auf abwesende. In dieser Weise referieren auch Alarmrufe.
>Angeborenes.
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Sprache/DaconVsSeyfarth/DeaconVsCheney: Bsp Gelächter unterscheidet sich von sprachlichen Äußerungen dadurch, dass es ansteckend ist. In einem Raum voller Lachender kann man schwer ernst bleiben. Die Vorstellung eines Raums voller Leute, die nur einen Satz wiederholen, ist absurd.
Intentionalität/Intention/Tierrufe/Deacon: Tierrufe erfüllen auch nicht das Kriterium von Grice für Mitteilungen: „Ich glaube, dass Du glaubst, dass ich x glaube“. Denn Tierrufe sind unfreiwillig und ansteckend.
>Sprache, >P. Grice.
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Lösung/Deacon: Es geht eher um Verbreitung von Erregung als um Teilen von Information.
Referenz/Deacon: Referenz ist daher nicht das Unterscheidungsmerkmal zwischen Tierrufen und Wörtern. Beide können sich auf innere Zustände und auf Dinge in der äußeren Welt beziehen. Wir müssen daher verschiedene Arten von Referenz unterscheiden, anstatt zwischen referierenden und angeblich nicht-referierenden Signalen zu unterscheiden.
>Referenz/Deacon.
I 65
Tiersprache/Herrnstein/Deacon: Versuche mit Tauben, die erfolgreich eine willkürliche Zeichensprache sowie Kooperation gelernt hatten(7).
I 66
Symbolische Referenz/Deacon: Diese einfache Form von Referenz mit den Merkmalen gelernte Assoziation, Zufälligkeit der Zeichen, Informationsübertragung zwischen Individuen sind nicht hinreichend, um symbolische Referenz zu definieren. Ein symbolisches Referenzsystem besteht nicht einfach aus Wörtern ohne Syntax.
>Symbolische Referenz, >Syntax.
I 67
Tierrufe: In einem Sinn ist das Verständnis der Tierrufe angeboren, andererseits ist die Verbindung zum Referenten nicht notwendig. Die Referenz ist gewissermaßen flexibel. Einige Verbindungen sind vorgeburtlich eingebaut, andere sind gelernt.
I 68
Symbolische Kompetenz: Symbolische Kompetenz ist das, was über papageienhafte Äußerungen hinausgeht. Dazu muss man zwischen kontextuell bestimmten Äußerungsanlässen und auswendig gelernten Diktaten unterscheiden.
>Symbolische Kommunikation, >Symbolisches Lernen, >Symbolische Repräsentation.


1. Dunbar, R. (1996): Grooming, Gossip, and the Evolution of Language. Cambridge, MA: Harvard University Press.
2. Dunbar, R. (1992a). Co-evolution of neocortex size, group size and language in humans. Behavioral and Brain Sciences.
3. Dunbar, R. (1992b). Neocortex size as a constraint on group sizes in primates. Journal of Human Evolution 20, 469-493.
4. Seyfarth, R. M., Cheney, D. L., & Marler, P. (1980): Vervet monkey alarm calls: Semantic communication in a free-ranging primate. Animal Behaviour, 28(4), 1070–1094.
5. Hauser, M. D. (1996): The evolution of communication. The MIT Press.
6. Cheney, D. L., & Seyfarth, R. M. (1990): How monkeys see the world: Inside the mind of another species. University of Chicago Press.
7. Herrnstein, R. (1980). Symbolic communication between two pigeons (Columba domestica). Science 210.

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Zeichenerklärung: Römische Ziffern geben die Quelle an, arabische Ziffern die Seitenzahl. Die entsprechenden Titel sind rechts unter Metadaten angegeben. ((s)…): Kommentar des Einsenders. Übersetzungen: Lexikon der Argumente
Der Hinweis [Begriff/Autor], [Autor1]Vs[Autor2] bzw. [Autor]Vs[Begriff] bzw. "Problem:"/"Lösung", "alt:"/"neu:" und "These:" ist eine Hinzufügung des Lexikons der Argumente.

Dea I
T. W. Deacon
The Symbolic Species: The Co-evolution of language and the Brain New York 1998

Dea II
Terrence W. Deacon
Incomplete Nature: How Mind Emerged from Matter New York 2013

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